Zu Gast bei den Claretinern in Sumanahalli (Bangalore/ Indien)

Im Sommer 2009 haben uns die Claretiner eine große und wertvolle Erfahrung möglich gemacht. Drei Monate durften wir beide in einer Lepra- und Aidsstation der Claretiner in Bangalore im Süden Indiens mitarbeiten.

Unsere Verbindung zu den Claretinern besteht seit unseren Schultagen. Wir beide besuchten seit der fünften Klasse das Claretinerkolleg in Weißenhorn. Da immer wieder Patres aus Indien und der ganzen Welt Besucher des Hauses waren, wurde schon bald unser Interesse für die Missionsarbeit des Ordens geweckt. Während unseres Studiums konnte schließlich unser Wunsch, einmal auf einer solchen Missionsstation der Claretiner mitzuarbeiten, wahr werden. P. Armin Sixt cmf vermittelte uns als Provinzial den Kontakt zu den Ordensbrüdern in Bangalore. Nachdem wir mit etwas Ferienarbeit das nötige Geld für Flug und Aufenthalt beisammen hatten, konnte die Reise beginnen.

Sumanahalli ist der Name der Missionsstation, die wir besuchen durften und obliegt der Leitung der Claretiner. Nach wie vor gehört Indien zu den Ländern, in denen Lepra und Aids gerade für die Ärmsten ein lebensbedrohliches Problem darstellen. Aufgrund sozialer Stigmatisierung werden Lepra- und Aidskranke oft aus Familie und Gesellschaft ausgegrenzt. Ihre Krankheit wird bei vielen hinduistisch Glaubenden als Fluch Gottes für vermeintliche Fehler betrachtet, die in einem früheren Leben begangen worden seien. Das Schicksal solcher Kranken endet somit meist in totaler Verarmung auf der Straße, zwingt sie zu einem Bettlerdasein und führt nicht selten zum Tod.

Sumanahalli hat es sich zur Aufgabe gemacht, eben diese Menschen von der Straße zu holen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zurückzugeben. Kranke erhalten dort ein Dach über dem Kopf, regelmäßige Mahlzeiten und werden im stationseigenen Krankenhaus medizinisch versorgt. Soweit sie noch Familien besitzen, finden auch diese dort, wenn nötig, Aufnahme. Weiter können sie in der Station in Werkstätten einen Beruf erlernen und Kinder erhalten in einer ebenfalls zur Station gehörenden Schule Unterricht. Auch für deren Studium und weitergehenden beruflichen Werdegang kommt Sumanahalli auf.

Für Leprapatienten, die weitgehend geheilt wurden und keiner täglichen Wundversorgung mehr bedürfen sowie deren Familien, stellt die Regierung Land zur Verfügung, auf das die Claretiner Häuser errichten dürfen. Wöchentlich besucht ein Ärzteteam der Station diese Siedlungen. Ehemalige Patienten werden also selbst nach ihrer Heilung nicht alleine gelassen.

Auf der Station wurden wir mehr als herzlich aufgenommen und von Anfang an in den Tagesablauf voll integriert. Zusammen mit den Patres und Schwestern haben wir den Tag mit der Feier der Messe begonnen und vormittags im Krankenhaus den Krankenschwestern bei der Wundversorgung der Leprapatienten geholfen. Das Leid und die Auswirkungen dieser Krankheit, die bis hin zur Amputation und Verlust erkrankter Gliedmaßen führen, waren sehr erschütternd für uns mit anzusehen. Dennoch lernten wir mit der Zeit, die Schwestern in ihrer täglichen Arbeit im Krankenhaus zu unterstützen. Wir konnten ihnen helfen, Wunden zu reinigen, Verbände anzulegen und selbst bei Amputationen zu assistieren.

Die Nachmittage verbrachten wir meist in der Schule, wo wir Unterricht in Englisch gaben und den Lehrern bei den Korrekturarbeiten halfen. Es machte uns ebenso viel Spaß, mit den Kindern und Jugendlichen ihre freie Zeit zu gestalten. Auch verbrachten wir unsere Nachmittage oft zusammen mit den Aidserkrankten. Die Atmosphäre dort war verständlicherweise wesentlich bedrückter als bei den Kindern in der Schule oder bei den Leprapatienten. Wir gaben uns Mühe, ein kleines Nachmittagsprogramm zusammenzustellen, um den traurigen Alltag und die bedrückende Stimmung der Patienten ein wenig zu erhellen. Das konnte oftmals schon durch kleine Dinge wie Karten- und Ballspiele, Malwettbewerbe oder Tanzen gelingen.

Was uns bei all diesen kranken Menschen, denen wir dort begegneten, vor allem faszinierte, war die unglaubliche Lebensbejahung trotz ihres schweren Schicksals, ihr Zusammenhalt und ihr herzlicher und respektvoller Umgang miteinander.

Auch wenn es zu Beginn unseres Aufenthalts sehr schwer für uns war, das Elend und Leid dieser Menschen mit anzusehen, hat uns die Zeit in Indien unglaublich bereichert. Die Arbeit, die die Patres und Schwestern täglich für die Ärmsten ihrer Mitmenschen leisten, verdient allergrößten Respekt und absolute Hochachtung. Jeden Tag versuchen sie aufs Neue, ihr Menschenmöglichstes zu geben und oft ist – wie sie uns sagten – ihr Glaube die einzige Quelle aus der sie ihre Kraft schöpfen können.

Wir beide kamen nach Sumanahalli in der Absicht, nach unseren Möglichkeiten den Menschen dort etwas zu geben, jedoch durften wir erfahren, dass eben sie es waren, die unser Leben ungemein bereichern konnten.

Julia und Anja

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