Meine sechs Wochen im Kongo

Meine Zeit im Kongo hat mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Vielleicht mögen sechs Wochen nicht viel klingen, aber in einem der ärmsten Länder der Welt erlebt man in so einer Zeit unglaublich vieles, Positives sowie Negatives.

Ich habe dort am Stadtrand von Kinshasa in einem Dorf für Kinder gearbeitet, die entweder dort von überforderten Eltern abgegeben worden sind, oder von der Polizei dort abgegeben wurden, da man sie völlig hilflos auf der Straße fand. In dem Dorf „Kimbondo“ gibt es unter anderem auch körperlich und geistig Behinderte.

Zuerst einmal sollte man sich wirklich bewusst sein, dass man in ein Land fährt, wo bis vor ein paar Jahren noch Krieg herrschte. Die Folgen davon sind wirklich nicht zu übersehen, Armut, Hunger und Streit zwischen verschiedenen Ethnien, damit wirst du praktisch jeden Tag konfrontiert. Ich war beispielsweise völlig perplex plötzlich auf Straßen Soldaten mit Maschinengewehren zu sehen, die ihre Munition noch um den Hals trugen, Bilder welche man nur aus dem Fernseher aus Krisengebieten kennt, sind hier Realität und völlig normal.
Die Menschen hier sind teilweise so arm, dass sie in Lehmhütten wohnen und völlig nackt sind, so war es zumindest in den Regionen weiter außerhalb von Kinshasa. Und als Weißer in einem Land in Zentralafrika ist man natürlich überaus interessant, gerade wenn man, wie ich, etwas größer ist, denn die Menschen hier sind eher klein. Auf der Straße passierte es mir nicht nur einmal, dass etwa fünf oder zehn Menschen auf mich zukamen und entweder bettelten oder etwas anbieten wollten, was natürlich auch überaus freundlich war.
Allerdings sollte man wirklich vorsichtig sein, wenn jemand betteln kommt. Mir passierte es die ersten Male, dass ich einem Kind etwas zu Essen gegeben habe, weil es wirklich völlig abgemagert aussah, und danach kam es immer wieder zu mir und hörte nicht auf zu betteln, und wenn andere Kinder das sehen, wird entweder auch gebettelt oder sich darum geprügelt.

Deswegen gab es bei mir im Dorf zwei Container, in dem alle Gastgeschenke von Freiwilligen und Spendenpakete gesammelt wurden. Mir wurde erzählt, dass jedes Kind gleich viele Schulhefte und Stifte besitzt, da sonst in der Schule blankes Chaos entstehen würde, wenn der Eine auf einmal sieht, dass sein Freund einen Stift mehr hat. In der Hausaufgabenbetreuung, die ich fast jeden Tag bei einer Gruppe von Jungs hatte, gab es solche Fälle schon mal öfter. Die afrikanischen Jungs stehen natürlich auch total auf Fußball, und so hatten sich zwei Jungs mal um ein altes, fast schon kaputtes Heft geprügelt, nur weil zwei Topspieler von Spanien drauf abgebildet sind. Bei solchen Fällen darf man natürlich nicht zuschauen, sondern muss sofort einschreiten. Allerdings gucken sich die Kinder ein solches Verhalten nur von den Älteren ab, die Erwachsenen machen hier täglich Gebrauch vom Rohrstock, oft nur Drohgebärden, aber dann hin und wieder gibt es auch mal eins auf die Finger oder auf den Hals. Ich habe auch mal ein Kind trösten müssen, weil es von einem Lehrer ziemlich herbe geschlagen wurde, was ich von außerhalb gesehen hatte.

Doch die Kongolesen sind natürlich auch überaus herzliche Menschen, und man freut sich auf jeden freiwilligen Helfer. Kinder sind natürlich überaus interessiert, wenn ein Weißer in ihre Nähe kommt. Ich war zum Beispiel erst zwei Tage im Dorf, und fast jedes Kind kannte mich schon beim Namen, viele Fremde, auch nach 4 oder 5 Wochen kamen einfach auf mich zu, nur um mich zu umarmen. Eine alte Frau küsste mich mal mehrmals auf die Hand, als wir in der Kirche waren, und meinte etwas auf Lingala, eines der Sprachen im Kongo, und ein Afrikaner, der neben mir stand, übersetzte mir dann, dass sie einfach nur überglücklich sei, dass ich hier sei. Sie wusste nicht einmal genau, wer ich bin und was ich mache, aber sie war glücklich mich zu treffen. Solche Begegnungen behält man ein Leben lang. Die Leute sind total froh, wenn du Ihnen hier hilfst, denn sie leben wirklich im Chaos. Das Chaos besteht aus einem eigentlich nicht geregelten Tagesablauf, heißt, man versucht es, aber funktioniert so gut wie nie, darüber hinaus wird Müll einfach nur verbrannt oder auf die Straße geworfen und man muss sich mit Krankheiten wie Aids, Malaria etc. auseinandersetzen. Letzteres kann einen selber auch relativ schnell treffen, denn aufgrund des schwülen Klimas sind dort so viele Mücken unterwegs, dass es dir sehr schnell passieren kann, von der Mücke gestochen zu werden, die Malaria überträgt. Man sollte deswegen natürlich unbedingt eine Prophylaxe nehmen, um Malaria vorzubeugen, doch hundertprozentig schützen kann man sich nie.

So traf es mich dann selber, dass es mir irgendwann so schlecht ging, dass ich zweimal einen Malariatest machte, welcher leider auch positiv war. Wichtig ist hierbei wirklich ruhig zu bleiben, denn hier unten gibt es eigentlich immer Menschen, die dir helfen und die nötigen Medikamente gibt es natürlich auch, da man hier tagtäglich mit so etwas konfrontiert wird. Also wenn man es rechtzeitig behandelt, hat man überhaupt nichts zu befürchten.

Was im Kongo leider auch Alltag ist, sind Sandflöhe, die sogenannten „Chics“. Von denen habe ich vorher praktisch nichts gehört, aber die sind schon eine kleine Plage. Wenn man dort hinfährt, ist es eigentlich vorprogrammiert, dass man sich solche dort einfängt. „Chics“ sind kleine Flöhe, die im sandigen, feuchten Boden leben, und ganz schnell in Schuhe oder Socken geraten können. Sie setzen sich wie Zecken fest in der Haut, allerdings meist nur an den Zehen. Sie übertragen auch keine Krankheiten, jucken eben nur und man sollte sie schon entfernen, da sich sonst die Zehen fies entzünden können.

Insgesamt muss ich sagen, habe ich in dieser Zeit sowie nie zuvor schätzen gelernt, wie glücklich wir hier sein können, mit all dem was wir haben, täglich Strom, Wasser und zu essen. Da habe ich dort vor Ort schon fast ein schlechtes Gewissen bekommen, dass mir das vorher nie so aufgefallen ist. Da hilft denke ich kein Fernseher, da musst du wirklich vor Ort sein, um dir über das klar zu werden.
Man sollte auch viel Geduld mitbringen, wenn man Kindern hier etwas beibringen will, denn den meisten muss man alles siebenmal erklären. Da ist man nach drei Stunden arbeiten so fertig, wie hier in Deutschland vielleicht nach sieben Stunden, so war es zumindest bei mir. Wichtig ist die Überzeugung zu haben, armen Menschen helfen zu wollen, auch wenn sie es dir manchmal nicht sagen können oder nicht zeigen, sie sind immer überglücklich, wenn jemand, wie ich es war, kommt.

Ich denke jeder, der so einen Freiwilligendienst macht, egal für wie lange, egal ob in Asien, Afrika oder Südamerika, man kann wirklich stolz auf sich sein, denn für die Menschen dort ist man ein Lichtblick, wenn man in ihr Leben kommt, und man sollte ihnen ein bisschen von dem geben, was man hier im Überfluss hat, seien es Bildung, Spielen oder einfach nur gemeinsam Zeit verbringen.

Florian

 

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